Als ich Mitte der fünfziger Jahre in Prag in die Schule kam, merkte ich, dass ich einen Vornamen hatte wie sonst niemand in der ganzen Schule und das ich es nicht schaffte den Stift in der rechten Hand so zu halten, dass ich damit auf dem Papier die von der Lehrerin erwarteten Kreise zeichnen konnten. Sie schlug mich mit einem langen dünnen Stock auf die Finger. Ich weiß bis heute nicht, ob sie es nur wegen der „hässlichen Hand” tat oder ob es primär mein Vorname und natürlich mein Nachname war (und damit meine Familie), die sie so ärgerlich machten. Wir änderten keine unseren Eigenschaften, nur ich wünschte mir einen anderen Vater.
Mit sechzehn habe ich dann die Hintergründe des Verhaltens der Lehrerin recht gut verstanden. Meine Familie gehörte (und wird es immer tun) zur so genannten „Nichtarbeitenden Intelligenz“. Die Konsequenz daraus: Ich hatte und bekam in diesem Staat keine Chance und musste ihn verlassen. Nach einem einwöchigen Urlaub als Tourist in München in Januar 1967 beantragte meine Mutter für uns hier das politische Asyl. 

Meine Vorstellung, in München sofort wieder in die Schule zu gehen, erwies sich in doppelter Hinsicht als schwer, ich hatte kein Geld und keine passende Schulbildung. So arbeitete ich erst als Kindermädchen, dann absolvierte ich eine Krankenschwesterausbildung. Nach diesem Abschluss machte ich das Abitur nach.
Weil ich damals schon eine Tochter, aber immer noch kein Geld hatte, machte ich Dank des Bafög das schnellste Studium, das man machen konnte. Nach vier Semestern war ich bayerische Hauptschullehrerin. Ich heiratete, bekam ein zweites Kind und studierte weiter. Wohl weil ich, wenn auch unbewusst, immer noch das Trauma aus Prag hatte: Nicht studieren zu dürfen.
Für eine Tschechin in Deutschland gibt es quasi automatisch einen Schwerpunkt des Interesses und daher auch der Forschung: Die Deutsch-Tschechischen Beziehungen oder verallgemeinert gesagt, das Verhältnis der Nationen unter einander. Nachdem ich zu dieser Thematik das Diplom in politischen Wissenschaften machte und in Geschichte promovierte, hatte ich das Gefühl, dass ich noch mehr über andere Nationen erfahren muss. 

Nach meiner zweiten Lehramtsprüfung war ich vier Jahrelang Lehrerin am Griechischen Lyzeum in München. Anschließend machte ich eine Zusatzausbildung in Deutsch mit Türkisch als Zweitsprache und unterrichtete fünf Jahre lang türkische Schüler an der Hauptschule in Neufarn bei Freising. 

Die Beschäftigung mit dem Verhältnis der Nationen untereinander bekam für mich nach 1989 eine unerwartet positive Entwicklung, ich konnte wieder in die Tschechoslowakei und nach Prag fahren und mich aktiv auch dort für die Deutsch-tschechische Verständigung einsetzten.
Da diese meiner Meinung nach nur erfolgen kann, wenn man die Schicksale der Menschen versteht, die namenlos hinter den einzelnen historischen Daten stehen, begann ich das in Erzählungen und Romanen zu schildern. Schon lange sind sie nicht mehr nur auf Böhmen oder die ehemalige KuK Monarchie beschränkt. 

Da die Familie meines Mannes aus Thüringen stammt, gingen wir nach der deutschen Wiedervereinigung in dieses neue Bundesland. Hier bin ich jetzt in der Landesverwaltung tätig.